Die Brücke über den Storstrømmen ©dsk
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Wolken, Steine, weiße Felsen
Herbst auf der Insel Møn
 

Ein echtes Inselgefühl will nicht aufkommen. Wir sind zwar von Wasser umgeben, aber Brücken und Dämme überqueren Meerengen und Buchten und verbinden selbst die kleinsten Inseln miteinander. Die digitale Verbindung ist dagegen erstaunlich mau … Aber wir wollen ja Urlaub machen!

Unsere FeWo liegt auf einem alten Gut. Aber wir sehen weder Menschen noch Tiere, obwohl hier Landwirtschaft betrieben wird. Also stellen wir uns vor, wie es vor über hundert Jahren ausgesehen hat: Wir „hören“ Kühe muhen, Hufe klappern, Gänse und Hühner schnattern und gackern. Wir „sehen“ jemand, der Kommandos gibt, wir sehen rennende Frauen und Kinder, schwitzende Männer … Jetzt fährt nur ein Riesentraktor vorbei, eine schwere Erntemaschine im Schlepp. Landwirtschaft heute.
Trotzdem ist es romantisch. Die Ziegelmauern der alten Stallgebäude leuchten in der Sonne, wenn sich der Nebel über dem umgebenden Buchenwald hebt. Am Sonntag spazieren drei Rehe am Küchenfenster vorbei. Auf der Wiese hinterm Haus macht sich ein echter Hase – kein Kaninchen – über das Fallobst her ... Die alte Apfelsorte verführt auch uns: Später werden wir Apfelkuchen backen.

Aber jetzt zieht es uns zum Meer. Einmal quer durch den alten Buchenwald, den schmalen steilen Weg heruntergeklettert und schon sind wir am Strand. Der hat wenig Sand zu bieten, dafür umso mehr Steine. Eine bunte Mischung aus Granit, Kreide, Feuerstein und was sonst noch … Wir suchen Hühnergötter (Steine mit Loch), Donnerkeile und Versteinerungen, verlieben uns in glatte, runde graugesprenkelte Schönheiten – und lassen fast alle liegen. Wir haben schon so viele Steine zu Hause.
In der Nähe stehen voll bekleidete Männer bis zum Bauch im Wasser – Angler auf Seeforellen, erfahren wir später. Weiter hinten dampft eine Fähre vorbei, Richtung Schweden vermutlich. Am Horizont entdecken wir einen Windpark im Bau, die gelben Fundamente sind mit bloßem Auge gut zu erkennen. Und dann, hinter der nächsten Landzunge, beginnen die Kreidefelsen. Schöner als bei Caspar David Friedrich, der vor 200 Jahren das Rügener Pendant gemalt hat. Grell weiß in der Sonne, an einem anderen Tag mattiert in grau-beige. Kippende Bäume, die sich mit skurrilem Wurzelwerk festzuklammern versuchen. Immer wieder tiefe Einschnitte, die das Wasser gegraben hat. Wir können uns nicht satt sehen und laufen uns müde. Das türkis leuchtende Wasser, der grau-schwarze schmale Ufersaum, die weißen Felsen …

Einmal machen wir einen Abstecher zur weißen Kirche von Elmelunde, die weit über das Hügelland hinweg zu sehen ist. Wie üblich haben die frommen Christen dafür einen spirituell längst besetzten Platz ausgewählt. Jetzt liegt das Hügelgrab mitten auf dem Friedhof, der die Kirche umgibt. Die Kalkmalereien im Innern sind prächtig – und brutal. Der biblische Kindermord von Bethlehem kennt kein Pardon: Da werden Kinderleiber durchbohrt, da spritzt das Blut! Umso friedlicher erleben wir Liselund, einen prächtigen englischen Park mit einem bescheiden wirkenden Schlösschen. An diesem milden Herbsttag leuchten die alten Bäume und das Gras so grün, dass es kaum auszuhalten ist. Die Menschen flanieren und fotografieren, die Enten baden und vögeln, was das Zeug hält … Lebenslust! Und das in Corona-Zeiten.

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