Bücher, in denen die SS-Organisation Lebensborn eine Rolle spielt … |
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Unbrauchbare Väter Jahrelang haben sie mich nicht interessiert, die Lebensborn-Väter. Kaum hatte ich die Alltagsstudie veröffentlicht, meldeten sich „Lebensborn-Kinder“ bei mir: Frauen und Männer, die in einem der SS-Heime geboren oder untergebracht waren und damit haderten. Oft war es der Vater, den sie nicht kannten, von dem sie nicht einmal den Namen wussten. Weil er in keiner Urkunde auftauchte, weil er von einer schweigenden Mutter geheim halten wurde, weil er sich nie gemeldet hatte … Können Sie mir helfen ihn zu finden? Wie oft ich diesen Satz gehört oder gelesen habe. Einigen konnte ich helfen – den meisten nicht. Oder nur indirekt, indem ich anfing, über Lebensborn-Kinder zu schreiben, ihre Geschichten öffentlich zu machen – und damit zur Selbstverständigung der Betroffenen beizutragen. Die Väter blieben dabei eine Randerscheinung – und mit dieser Ignoranz war ich guter Gesellschaft. In der Literatur über den Lebensborn spielen sie so gut wie keine Rolle. ... Nur: Irgendwann ließen sie sich nicht mehr beiseiteschieben. Aus den Dokumenten, die ich im Laufe der Zeit zusammengetragen hatte, aus den Interviews mit ihren Kindern und deren Müttern lernte ich sie immer genauer kennen. Sollte ich sie wirklich beiseitelassen? Sie waren schließlich essentieller Bestandteil der Triade Vater-Mutter-Kind. Und war es nicht ihr Verhalten, das in vielen Fällen das Geschehen bestimmt und letztlich die Weichen für die Zukunft ihres Lebensborn-Kindes gestellt hatte? Jetzt wollte ich doch genauer wissen, wer sie waren, diese Lebensborn-Väter. Egoisten, für die nur die eigene Lust zählte? Blind Verliebte, die nicht an die Folgen dachten? Frustrierte Ehemänner auf Abenteuer? Karrieristen, die Vorzeige-Kinder brauchten, um weiter nach oben zu kommen? Untertanen, die Himmlers Zeugungspropaganda in die Tat umgesetzt hatten? Rassisten, die zur Vergrößerung der „arischen Rasse“ beitragen wollten? Oder einfach ganz normale Männer?
Raubkind Er kann einfach nicht einschlafen. Die Gedanken rasen durch seinen Kopf, springen hin und her, nichts lässt sich fassen und zu Ende führen, alles geht durcheinander. Und „Stopp“ kann er auch nicht sagen. ... Kannst du wieder nicht schlafen, Klaus?, fragt Sonja plötzlich. Soll ich dir eine Tablette holen? Nein, nein. Er wehrt ab. Entschuldigt sich, weil er sie geweckt hat. Liegt still, obwohl ihm das schwer fällt. „Ich war an diesem Tage nach Polzin gefahren, um mir aus dem Heim … unseren Pflegesohn Klaus zu holen. Er ist elternlos, im gleichen Alter wie Volker, kommt also mit ihm zusammen zur Schule, sieht nett aus, blond und blauäugig, und hat sich schon gut bei uns eingelebt. Da er lange in Heimen war, ist die Lage seiner Kleidung katastrophal. So renne ich täglich alle Geschäfte nach diesem und jenem ab ...“ Das hatte die Stiefmutter ihren Eltern geschrieben. Im Frühjahr 1944, kurz nachdem sie ihn aus dem Heim geholt hatte. Und ausgerechnet diese Stelle ist der Journalistin aufgefallen. Obwohl die Stiefmutter das Wort Lebensborn in ihrem Brief gar nicht erwähnt.
Lebenslang Lebensborn |