Bergauf, bergab und mitten im Wald ©dsk
Wer aufs Foto klickt, bekommt mehr davon



"Waldbaden" im Spessart
 

Natürlich ist der Spessart kein Urwald. Haben wir auch nicht erwartet, mein Wander-Bruder und ich. Mitten in Deutschland, gerade mal 70 Kilometer von Frankfurt entfernt. Nein, kein Urwald – aber auch kein reiner Nutzwald mehr. Der Spessart sei im Umbau, erklärt uns ein „Wander- und Landschaftsführer“, den wir unterwegs treffen. Und dafür muss man so viele Bäume fällen? Manche Hänge sehen aus wie ein Schlachtfeld, an vielen Wegrändern türmen sich die Stämme … Muss sein, meint der Mann. Viele alte Buchen seien beim letzten Sturm – kein Orkan! – einfach umgekippt. Die tiefen Wurzeln seien in den trockenen Sommern abgestorben, damit fehlten die Anker. Dann zeigt er auf den Hang: Der wird nicht aufgeforstet, da wächst ein Mischwald heran, von selbst, der kann dem Klimawandel besser trotzen. Und an anderen Stellen probiere man robustere Baumarten aus …

Aber trotz aller Probleme ist der Spessart ein richtiger Wald. Scheinbar endlos, fast menschenleer. Wir wandern durch Buchenwälder, die im Frühlingslicht etwas Geheimnisvolles haben. Oben sprießen die Blätter – unten treiben die Bucheckern frischen Nachwuchs aus. Beim Weg ins Tal lässt sich eine Bachwerdung nachvollziehen: Zuerst ein großer feuchter Fleck im Laub, dann ein Rinnsal, das zum Minibach wird, als von der Seite ein zweites Rinnsal dazukommt. Bei gut zehn Zentimeter Breite schneidet sich das kleine Gewässer schon tief in den Untergrund ein – da ist der Wald schon in eine Wiesenlandschaft übergegangen. Wir finden Sumpfdotterblumen und Himmelsschlüsselchen. Entdecken erste Pilze. Im Farn die Überreste einer Mahlzeit – die Wirbelsäule eines großen Tieres, eines Rehs vielleicht. Hat hier ein Fuchs gefuttert? Eine Schlange kreuzt unseren Weg, einen halben Meter ist sie bestimmt lang. Am Rand hält sie so lange still, bis ein Foto im Kasten ist und die Erkennungs-App sagt: eine Schlingnatter. Aha.
Wir laufen auf einem „alten Schulweg“ – früher mussten die Kinder von hochgelegenen Bauernhöfen noch zu Fuß ins Tal, eine Stunde hin, anderthalb zurück! Hier wird es ein bisschen pädagogisch. Eine „Holzorgel“ führt vor, wie unterschiedlich verschiedene Hölzer klingen. Ein geschnitzt-bemalter toter Baum warnt eindringlich vor der Waldbrandgefahr. Ein altes Pumpwerk erklärt, wie die Höhenbauern zu ihrem Wasser kamen. Oben, auf einem Aussichtsturm, erbaut in „schlimmen Zeiten“ (1936!), haben wir dann den Überblick: Hinten links der Odenwald, in der Ferne geradeaus der Feldberg (Taunus) und davor die Skyline von Frankfurt – und unter uns der Wald.

Ach ja, das „Wirtshaus im Spessart“. Das sollten wir suchen, gaben uns Freundinnen und Bekannte mit auf den Weg. Wir haben es uns einfach gemacht: Wir sind an den Drehort des 50er-Jahre-Films mit Lilo Pulver gefahren – nach Mespelbrunn. Ein Wasserschloss aus der Renaissancezeit, romantisch in einem Seitental gelegen, voll alter Möbel, alter Gemälde, alter Waffen. Hier hätten wir auch einkehren können, aber am Abend sitzen wird doch lieber in unserem Wirtshaus im Spessart, bei Schnitzel, Schweineschulter, Bratwurst und Bier. Eine ganz schön fleischige Gegend.

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