Judy Bailey und Patrick Depuhl
in der Kulturkirche in Bremen ©dsk



Der Mann, der den Himmel in seinem Namen trug ...
 

… diesen Satz aus dem Bühnenprogramm von Judy Bailey und Patrick Depuhl hat sich in meinem Kopf festgesetzt. Was für eine Paradoxie! Denn der Mann, der den Himmel in seinem Namen trug - ist Heinrich Himmler, der „Reichsführer SS“, Initiator und Über-Vater des Lebensborn.
Und wie kommt dieser Mann in das Programm der beiden Künstler?

Judy Bailey und Patrick Depuhl erzählen in ihrem aktuellen Bühnenprogramm „Das Leben ist nicht schwarz-weiß“ ihre eigene Geschichte. Zuerst die Vor-Geschichte: Judy - geboren in London, aufgewachsen auf Barbados, der Heimat ihrer Vorfahren, die einmal Sklaven waren, gelandet in Deutschland, am Niederrhein. Patrick - in Duisburg auf die Welt gekommen, als Kind mehrmals zwischen Ruhrpott und den USA hin- und hergependelt, seit vielen Jahren mit Judy und den drei Söhnen am Niederrhein.

In dieser Geschichte gibt es einen dunklen Fleck: Die Geburt von Patricks Vater in einem Lebensborn-Heim. Bis heute ist nicht klar, ob der Vater (gestorben 2011) wusste, was „Heim Hohehorst“ in seiner Geburtsurkunde bedeutet. Vielleicht hat es ihn nicht interessiert – vielleicht wollte er nicht an seine ersten Lebensjahre rühren. Wie er mit 14 erfahren hat, dass seine Eltern nicht seine „richtigen“ Eltern sind, sondern Tante und Onkel. Dass in Wirklichkeit „Tante Lydia“ seine biologische Mutter ist - die Schwester seiner Bisher-Mutter. Eine verkehrte Geschichte, die aber für ein Lebensborn-Kind – verglichen mit den Erfahrungen anderer Lebensborn-Geborener - eigentlich glimpflich verlaufen ist. Er wurde geliebt! Er war der Tante und ihrem Mann willkommen! Aber der Schmerz über die Täuschung muss riesig gewesen sein.

Einen Vater zu haben, der im Lebensborn auf die Welt gekommen ist, unter dem Vorzeichen der Rasse, der vermeintlich „überlegenen“, „auserwählten“ „arischen“ Rasse – das beschäftigt Patrick Depuhl, seitdem er hinter die Bedeutung „Heim Hohehorst“ gekommen ist. Und es beschäftigt auch seine Frau, die zu denen gehört, die in den Augen der Nationalsozialisten „minderwertig“ gewesen wäre – nur weil sie eine schwarze Haut hat. Das diese beiden zusammengefunden hat, dass sie damit die Reinheitsfantasien der Nazis aufs Schönste konterkarieren, ist mehr als ein privater Triumpf … Dass sie ihre Geschichten auf die Bühne bringen, in Städten und Städtchen, in Kirchen und Schulen auftreten, singen (Judy) und vortragen (Patrick), kann und soll die Augen öffnen für den Un-Sinn rassistischen Denkens.
Eine mutige Form, mit dem Lebensborn-Erbe umzugehen, als Lebensborn-Enkel in der Welt zu sein!

Wer den Auftritt der beiden erleben will, sollte auf ihre Webseite schauen: https://judybailey.com/


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