Im Vordergrund der Klinikeingang - im Hintergrund das mächtige Gebäude des ehemaligen "Kriegsmütterheims" ©dsk

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Braune Spuren.
Das ehemalige „Kriegsmütterheim“ in Stettin/Szczecin
 

Eine Tagestour nach Szczecin - und ein Abstecher zum ehemaligen „Kriegsmütterheim“. Offiziell wurde es zwischen 1940 und 1945 vom "Pommerschen Provinzialverband" betrieben - im Hintergrund agierte Heinrich Himmler, Reichsführer SS.
Ein Lebensborn-„Kind“, das ein paar Jahre dort gelebt hat und sich in Stettin auskennt, begleitet mich – ich muss also nicht lange suchen. Die ulica Arkońska, früher Eckerbergstraße 2-4 ist heute ein Klinikgelände mit alten und neuen Gebäuden, Baustellen, Parkplätzen – und einer Menge Publikum. Mittendrin: Das ehemalige „Kriegsmütterheim“. Zwei Häuser, jeweils drei Etagen, ganz oben mit einem schmalen Balkon, verbunden durch ein Quergebäude. Unverkennbar Nazi-Architektur, langgestreckt, ein erdrückendes Dach …

Jetzt sind hier Sprechzimmer, Behandlungszimmer, Büros untergebracht, keine Krankenzimmer. Damals, seit Juni 1940, lebten hier Frauen mit ihren Kindern, Lebensborn-Mütter, die in Stettin ihrem Beruf nachgingen, während die Kinder tagsüber im „Kriegsmütterheim“ betreut wurden. Auch so ein Tarnname, wie ihn die Nazis gern benutzten. Denn nicht der Krieg war der Grund, warum die Frauen hier lebten. Sie waren ledig und hatten ein Kind, das war ihr Problem.

Manche blieben zwei, drei Jahre, meine Begleiterin mit ihrer Mutter zum Beispiel. Weil es für sie erst einmal keine andere Lösung für ein gemeinsames Leben gab. Und der Lebensborn konnte sich brüsten, wieder einmal „das Beste“ für Mutter und Kind getan zu haben.

Aber dass dieses Heim so riesig war! Ich hatte mir zwei kleine, kuschelige Häuser vorgestellt … Wir zählen die Fenster: Danach gab es 25 Wohneinheiten auf einer Ebene, das Heim muss also eine Kapazität von etwa 150 Plätzen gehabt haben! Das war „großer Stil“ – und von langer Hand geplant. Mit dem Bau muss schon vor dem Krieg begonnen worden sein. Eine solche Anlage stampft man nicht aus dem Boden.

Um die Ecke, erzählt meine Begleiterin zwischendurch, lagen früher die „Kückenmühler Anstalten“, eine große Psychiatrie. 1940 wurden die Patientinnen und Patienten abtransportiert und ermordet – sie galten als „unwertes Leben“. Danach kamen diejenigen, die sich für „wertvoll“ hielten - die SS. Sie nutzte die Gebäude als Kaserne und Lazarett.

Schon im Weggehen entdecken wir an den Stirnseiten des „Kriegsmütterheims“ 30 verwitterte Holztafeln mit eingeschnitzten Figuren. Bäuerlich gekleidete Frauen beim Spinnen, Weben und Stricken. Ansonsten Männer, heroisch-muskulös: Drei Tischler, drei Töpfer, drei Bauern - Motive einer Berufswelt, die von den Nationalsozialisten idealisiert wurden. Zwei Tafeln zeigen allerdings ein anderes Motiv: Da marschieren BDM-Mädchen in Uniform und eine Schar HJ-Jungen, mit einem Trommler vorneweg
Hat das denn niemand gesehen? Wir fragen eine Frau im weißen Kittel, mit Zigarette in der Hand. Sie schüttelt den Kopf: Ist ihr noch nie aufgefallen. Ob sie wisse, wie alt die Figuren seien? Kopfschütteln. Sie ruft eine Kollegin herbei, die hebt die Schultern … keine Ahnung.

Vor der Kirche der ehemaligen „Kückenmühler Anstalten“ steht eine Infotafel. Hier – nichts. Ich würde mir wünschen, dass die Schnitzereien auf dem Müll landen, wenn die Sanierung komplett ist …

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