Im Nationalpark Monfragüe. Hunderte Gänsegeier in der Luft und in den Felsen ©dsk

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Unter Geiern
Vogelreise durch die spanische Extremadura
 

Der Steinkauz sitzt direkt vor der Tür … sagen die anderen. Naja, hundert Meter sind es schon bis zur Trockenmauer, auf der er angeblich sitzt. Siehst du ihn, fragen die anderen. Nö. Weiter links, wo die Steine herausgebrochen sind … Siehst Du ihn?
Ich brauche zwei Tage, bis ich nicht nur Steine sehe. Dann entdecke ich ihn endlich, den 25 Zentimeter großen Kauz - weil es den Kopf von rechts nach links und links nach rechts bewegt. Jetzt kann ich tatsächlich seine weißen Augenbrauen ausmachen und das braun-gefleckte Federkleid!
Beim Wiedehopf-Finden bin ich schneller. Schließlich hat er ein oranges ´Oberteil´ und schwarz-weiß gestreifte Flügel. Und mit den Weißstörchen habe ich gar kein Problem. Erstens gibt es viele - auf dem zerfallenden Gehöft gleich neben unserer Casa sind zwanzig, dreißig Tiere zu Hause, zweitens sind sie ständig in Bewegung, starten, kreisen, landen, drittens klappern sie hin und wieder. Die Nester sind fertig, manche Tiere brüten schon, andere beschäftigen sich noch mit dem Zeugen …

Unsere Casa liegt mitten ´in der Pampa´, der Baum-Savanne der Extremadura, die korrekt „Dehesa“ heißt. Trujillo, die nächste Kleinstadt, zeigt sich weit hinten am Horizont, direkte Nachbarn gibt es nicht. Eine einsame – und manchmal auch wilde Landschaft. Bei unseren Touren fahren wir immer wieder durch Gebiete, in denen sich riesige Felsbrocken auftürmen, wie von Riesen aufeinandergestapelt, durcheinander gewürfelt – von der Erosion freigelegt. Dann wieder geht’s durch Grasland, soweit das Auge reicht, oder durch Stein- oder Korkeichenwälder. keine Wälder, wie wir sie gewohnt sind. Die Bäume stehen weit auseinander, werden gepflanzt, gepflegt und genutzt. In ihrem Schatten (im Sommer ist es hier 40 Grad heiß) weiden Schafe, Rinder, schwarze Schweine (für den berühmten Schinken). Und die Rinde der Korkeichen wird abgeschält und verarbeitet. Momentan gibt’s in all diesen Landschaften reichlich Wasser. Die trockene Savanne ist nicht braun, sondern grün! Rinnsale, Bäche und Flüsse mäandern fröhlich vor sich hin, breiten sich ungehindert im Grasland aus, schneiden sich tief ins Felsgelände ein, münden in einer der vielen Talsperren ...

Die Gewässer steuern wir besonders gern an, denn hier herrscht starker Vogelverkehr. Auf dem Wasser (diverse Enten, Gänse, Taucher), über dem Wasser (zum Beispiel fünf verschiedene Schwalben-Arten), im und am Rand des Röhrichts (Kleinspecht, Purpurhuhn, diverse Reiher-Arten etc.). Unser Wetter ist übrigens genau richtig zum Beobachten: Es ist kalt und regnet viel, also ist die Luft klar und die Vögel fliegen tief.
An anderen Tagen fahren wir auf kleinen und noch kleineren Wegen durch scheinbar endlose Landschaften. Wir wollen Trappen beobachten, die großen Steppenvögel, die weites, offenes Gelände als Lebensraum brauchen. Wir fahren und fahren, alle halten angestrengt Ausschau – da! Wo? Weit entfernt, nur als Silhouette sichtbar, ein paar Großtrappen! Aber soweit sie auch weg sind, so klar und deutlich sehen wir die langen Hälse, die aufgestellten Schwanzfedern – das Balz-Theater. Auch wenn wir jetzt am liebsten die Spektive aufbauen würden – wir bleiben im Minibus sitzen, um die Tiere nicht aufzustören. Leider wird ein paar Kilometer weiter an der Trappen-Vertreibung gearbeitet: Dort entsteht eine Solarfarm mit riesigen Solarpaneelen. Die werden den Trappen die Übersicht nehmen, die sie zum Leben und Überleben brauchen.

Für die großen Greifvögel ist Übersicht kein Problem. Und für uns ist ihre Beobachtung auch keins, sie sind nämlich überall. Schon von der Casa aus sehen wir immer wieder Geier und Adler, aber Derk Ehlert, unser „guide“ für acht Tage, hat besseres parat: den Nationalpark Montfragüe. In den hohen, zerklüfteten Felswänden brüten Mönchs- und Gänsegeier. Als wir unsere Guck-Position beziehen, sind hunderte in der Luft, auf Felskanten, auf Vorsprüngen, in kleinen Höhlen. Die einen balzen noch und legen vollkommen synchrone Tandemflüge hin, andere vögeln im wahrsten Sinne des Wortes, wieder andere bauen am Nest oder haben schon mit der Brüterei angefangen. Gänsegeier bringen es auf eine Flügelspannweite von Zweimeterfünfzig, die einfarbig braunen Mönchsgeier auf fast drei Meter! Beide fressen Aas, und das kann zum Problem werden. Als die EU vor ein paar Jahren europaweit verbot, tote Nutztiere auf den Weiden liegen zu lassen, damit sich Krankheiten nicht ausbreiten, geriet der Geier-Bestand in Gefahr. Nach einigem Hin und Her wurden Ausnahmen zugelassen – unter anderem für die Extremadura. Seitdem ´liefern´ ihre großen Herden wieder genügend Geier-Futter.

Am letzten Tag schenkt Derk uns noch ein letztes Highlight – einen iberischen Kaiseradler. Er sitzt zwar gaanz weit weg, auf einer Kiefer, aber selbst ich erkenne sein Kennzeichen, die weißen Schultern. Lange hockt er da, dann schwingt er sich in die Lüfte. Und wir müssen auch los, zum Flughafen.

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