Im Vogelparadies Eine Herbstreise nach Andalusien und Marokko |
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Eigentlich habe ich mir den Vogelzug anders vorgestellt. Eigentlich dachte ich, der Himmel sei schwarz von Vögeln, schließlich kehren Jahr für Jahr 5 Milliarden Tiere Europa den Rücken und wandern nach Süden, wenn es Herbst wird. Erster Standort der Derk-Ehlert-Vogelfreunde, mit denen ich unterwegs bin: die Gegend von Tarifa. Hier fällt das Gebirge zum Meer ab, hier heizt die Sonne ordentlich ein – außerdem gibt’s Lagunen zum Ausruhen und Tanken. Auf einer Aussichtsplattform postiert, suchen wir mit den Ferngläsern den Himmel ab. Ein Trupp Alpensegler saust vorbei. Ein Zwergadler, auf der Suche nach einem Thermikschlauch. Ein Schmutzgeier gesellt sich dazu … Jetzt sind es schon vier, sechs, nein acht riesige Vögel, die in einem großen Kreis immer höher steigen, getragen von der aufsteigenden warmen Luft. Ob sie gleich starten? Nein, noch nicht … Das Spiel wiederholt sich. Zwischendurch gucke ich aufs Meer, auf die riesigen Containerschiffe mit ihren Abgaswolken, quer dazu eine Fähre Richtung Tanger, knapp 12 Kilometer ist Afrika nur entfernt. Schließlich startet ein Trupp aus Schwarzmilanen, Zwergadlern, Geiern. Wenig später kommen sie zurück. Vermutlich zu wenig Höhe für den langen Gleitflug. Und so geht es weiter … Irgendwann heißt es: Wir fahren zur Lagune. Eigentlich eine „Un-Gegend“, findet Derk Ehlert, und damit hat er recht – aber hier gibt’s jede Menge Lemikolen zu sehen. Über Sanderlingen, Löfflern, Flamingos, Säbelschnäblern, Steinwälzern, Schnepfen, Wasserläufern und und und könnte man den Müll auf den Sandbänken fast ignorieren. Dass unsere Afrika-Fähre morgens um sieben startet, gefällt mir gar nicht … man sieht doch nichts, meckere ich vor mich hin. Noch ein Irrtum. Es ist die Zeit des Sonnenaufgangs, und der strengt sich mächtig an. Zuerst der langsame Übergang der Dunkelheit ins Tageslicht – und dann ist es mit einem Schlag hell. Es ist jedes Mal ein Wunder. Weiter geht’s Richtung Osten, zum Rif-Gebirge und zur „blauen Stadt“. Zuerst durchqueren wir eine Steppenlandschaft, dann einen riesigen Korkeichenwald. Hier hat es gebrannt, aber viele Bäume treiben schon wieder aus. In diesem Wald leben Berberaffen, die ReisegefährtInnen mit den guten Ohren hören sie hin und wieder rufen. Zu sehen sind sie nicht … aber dann, wir sind fast am Ende des Walds, zeigen sie sich. Ein Tier sitzt in einer Astgabel, in Straßennähe, vermutlich ein Männchen, vielleicht der Boss. Er ist mit Fellpflege beschäftigt – und wirft hin und wieder einen Blick in unsere Richtung. Dann turnt plötzlich ein Junges von Ast zu Ast, ein älteres Tier springt hinterher … ist das schön. Die ersten wilden Affen meines Lebens! Das Rif-Gebirge ist steil, schroff, die Vegetation abwechslungsreich. Zwei Geländewagen fahren uns auf 1700 Meter Höhe, zwischendurch wird gestoppt, beobachtet, bestimmt: Da eine Blaumerle, ah, ein Afrikanischer Buchfink, ein Diademrotschwanz, den ich leider nur im Abflug sehe … Rechts und links der Piste kleine Cannabisfelder, oben Atlaszedern und dichte Tannen mit riesig langen Nadeln. Auf dem Rückweg ein herrlicher Blick auf Chefchaouen, die „blaue Stadt“: Von Berbern gegründet, im 15. Jahrhundert ein Zufluchtsort für Juden und Moslems, die aus Spanien vertrieben wurden. Die blaue Farbe soll den bösen Blick fernhalten, steht bei Wikipedia – naja, später wurde sie zur Idee der Tourismusindustrie. Egal: Die blauen Häuser, Türen, Fenster, die engen verwinkelten Gassen, durch die wir dann laufen - das alles ist exotisch, romantisch und einfach schön. In Tétouan dann noch einmal eine Vogel-Sensation: Über 1000 Weißstörche haben es an diesem Tag in kleinen oder großen Trupps geschafft, die Straße von Gibraltar zu überqueren. Die meisten fliegen gleich weiter, ein paar landen im Fluss, trinken – und dann geht’s schon wieder los. Zur nächsten Herausforderung, der Sahara … |